Ob keuchend beim steilen Aufstieg auf einem Wanderweg, oder nach gefährlichen
Momenten in der Felswand, wohl jeder stellt sich einmal die Frage, weshalb es
ihn immer wieder auf die Berge zieht. Der schottische Autor Macfarlane spürt
den Gründen in einer abwechslungs- reichen Kombination von Alpin-,
Wissenschafts- und Kulturgeschichte nach, die er seinem eigenen Erleben
gegenüberstellt. Er nimmt den Leser mit auf eine abenteuerliche Reise durch
die Jahrhunderte, bietet Identifikationsmöglichkeiten und nicht zuletzt
literarisches Vergnügen.
Dabei greift er auf einen breiten Wissens- schatz aus Geologie,
Vermessungskunde, Glaziologie, darstellender Kunst, Psychologie, Literatur,
Philosophie und Religion zurück. Macfarlane verdeutlicht, dass Berge ein
schöpferisches Bedürfnis des westlichen Menschen erfüllen, uns in Frage
stellen, uns staunen lassen und macht damit die Faszination des Bergsteigens
nachvollziehbar.
Gipfel zu besteigen ist eine kulturelle Erfindung, die vor dreihundert Jahren
begann und nicht nur spektakuläre Blicke in jähe Abgründe bot, sondern auch in
die nicht minder schwindelerregende Vergangenheit der Erde. In der Romantik
wandelten sich die Berge endgültig vom gemiedenen Ort des Schreckens zu einem
der Anziehung. Die vermeintliche Heimat von Drachen wurde zum begehrten Ziel
menschlichen – vor allem männlichen – Forscherdrangs. Ob Naturwissenschaftler
oder Abenteurer, ob Philosophen oder Poeten, sie alle versprachen sich in den
eisigen, sauerstoffarmen Höhen unvergleichliche Erfahrungen und Erkenntnisse,
für die es sein Leben zu riskieren lohnt: der Sog von Macht und Angst, das
Gefühl von Erhabenheit und das Erleben fragiler Schönheit.
In seinem preisgekrönten Debüt, das ihn schlagartig bekannt machte, folgt
Robert Macfarlane den Vorstellungswelten der bisweilen fatalen Faszination,
die Auftürmungen von Granit-, Basalt- und Kalksteinschichten bis heute in
Menschen auslösen, sodass sie nichts anderes mehr als Berge im Kopf haben. Wie
kein Zweiter weiß Macfarlane, das eigene Erleben mit dem Gelesenen zu
verbinden. Anschaulich und ebenso belesen wie lebendig verbindet er die
eigenen Klettererfahrungen mit den Berichten legendärer Bergaufstiege, wie
beispielsweise dem Versuch George Mallorys am Mount Everest, von dessen Höhen
dieser 1924 nicht wiederkommen wird. Drei Jahre vor seinem Tod schreibt er an
seine Frau Ruth: »Der Everest hat die steilsten Grate und die furchtbarsten
Abgründe, die ich je gesehen habe. Liebling – ich kann dir nicht beschreiben,
wie sehr er von mir Besitz ergriffen hat.«
318 Seiten, gebunden