Bergsteigen als ergänzende Lebensform
Bergsteigen in vielen Formen ist für Oswald Oelz die ideale komplementäre
Lebensform zur heutigen virtuellen und plastifizierten Welt. Wir haben uns von
der Erde isoliert, wir spüren Regen, Kälte und Jahreszeiten nur noch selten,
die Nahrung kommt aus Einmalpackungen und das Wasser aus der hygienischen
Flasche.
Beim Bergsteigen kehren wir in jene Welt zurück, in der sich unsere
Evolution vollzogen hat: Lebenswichtig ist ein geschützter Biwakplatz, ein
Kocher zum Schmelzen von Schnee, Kartoffeln, etwas Parmesan und scharfe
Steigeisenwaffen. Darin liegt die regenerative Potenz des Aufbruchs in die
Wildnis, beim Klettern in unbekanntes Gelände werden Mobbing, das Finanzamt
und die PS des eigenen Autos belanglos. Die Batterien laden sich beim Gehen im
indischen Hochland für Herausforderungen in den Stadtschluchten von Zürich
oder Berlin auf.
Dieses Leben ist immer gefährdet, mehr als zwei Dutzend Freunde des Autors
sind direkt aus Felswänden, Lawinen oder Gletscherspalten schon ins unbekannte
Land vorausgegangen. Einige Male hat Freund Hein auch schon auf Oswald Oelz
gezielt und ihn nur knapp verfehlt. Streifschüsse wie Felsbrocken, Eislawinen,
Lungenödeme und ausbrechende Haken machen das herrliche Leben bewusster, er
klettert, um intensiv zu sein und nicht, um zu sterben.
‹Das Geheimnis des fruchtbaren Lebens heisst gefährlich leben, darum: baut eure Häuser an den
Vesuv›, meinte Nietzsche. Bergsteigen ist eine wunderbare Alternative. Die
Botschaften vom Jabal Misht, Cholatse, Heiligkreuzkofel und Triemlispital sind
einfach: Leben wir dieses grossartige Leben, solange wir nur ahnen, dass es
irgendwann endet und nicht erst, wenn die letzte Woche angebrochen ist.