Mit dem Buch «L’anno della valanga» hat nicht nur Giovanni Orellis
Schriftstellerkarriere begonnen, sondern auch ein neuer Abschnitt in der
Tessiner Literatur. In diesem kurzen Roman ist es ihm gelungen, ein Thema der
Heimatliteratur aus genauer Beobachtung ohne Pathos oder Sentiment in
mythische Erfahrung zu verwandeln. Ein Bergdorf wird eingeschneit und nach
fast zwei Monaten wegen drohender Lawinengefahr evakuiert.
Der Stoff ist autobiografisch: Orelli hat den schlimmen Lawinenwinter 1951,
der in der Schweiz 98 Todesopfer forderte, als 23jähriger Lehrer in seinem
Heimatdorf Bedretto erlebt. Zehn Jahre wartete er, bis er sich daranmachte,
das traumatische Erlebnis zu exorzieren, zehn Jahre, während denen er in
Zürich und Mailand Italianistik studierte, promovierte und sich als Lehrer ans
Gymnasium in Lugano wählen ließ, wo er heute noch lebt.
Giovanni Orellis Erstling «Der lange Winter» wurde 1964 noch im Manuskript mit
dem Premio Veillon ausgezeichnet und machte den Tessiner Autor mit einem
Schlag bekannt. Nüchtern und präzis schildert Orelli die Bedrohung eines
kleinen Dorfes im Bedrettotal durch gewaltige Schneemassen und zeigt, wie «die
vordergründige Realität sich allmählich in Versatzstücke auflöst und das
Vertraute dem Unheimlichen weicht» (Alice Vollenweider).
Die Bewohner müssen entscheiden, ob sie im Dorf bleiben wollen oder ob sie ins
sichere Tal ziehen. Unter dem Druck der Lawine verlieren die Alten Einfluss,
die Jungen setzen sich durch, voller Neugier auf das, was sie erwartet.
Übersetzt von Charlotte Birnbaum / Mit einem Vorwort von Alice Vollenweider
160 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag