Senter Tagebuch
Wie lebt es sich an einem Sehnsuchtsort? Ferienorte sind flüchtige Heimat. Oft
verbinden sie sich mit dem Wunsch, für immer bleiben zu können. Und doch
reisen wir ab. In der Regel. Die Reporterin und Romanautorin Angelika Overath
hat sich, zusammen mit ihrem Mann und dem jüngsten Sohn, aufgemacht, aus einem
Traum Realität werden zu lassen. Die Familie ist nach Sent ins Unterengadin
gezogen. Ihr Buch erzählt, wie sich Wahrnehmungen und Lebensweise ändern, wenn
das Feriendorf in den Bergen zum festen Wohnort wird.
Jeder von uns hat einen Sehnsuchtsort. Aber kann man dort zu Hause sein? Was
geschieht, wenn eine Familie sich entschließt, von Tübingen ins Unterengadin
zu ziehen, nach Sent, ein Dorf auf einer Sonnenterrasse, 1430 Meter über dem
Inn? Verbraucht sich die Schönheit? Die hohen Berge, hinter denen schon
Italien liegt, sind nun Alltag, genauso wie die wunderbaren Juni-Wiesen vor
dem ersten Schnitt, die Bauernhäuser mit den Sgraffito-Fassaden, die alten
Palazzi der Zuckerbäcker, die Brunnen, an denen Teppiche gewaschen werden.
Sechs Monate im Jahr Schnee gehören ebenso dazu wie das Erlernen einer
bedrohten Sprache: Rätoromanisch, die Muttersprache der Einheimischen, für den
kleinen Sohn nun die Unterrichtssprache in der Schule. Aber wie buchstabiert
sich das Leben in der konkreten Utopie? Die Familie nimmt Neues wahr und wird
neu wahrgenommen. Mit dem ruhigen Blick der Reporterin beobachtet Angelika
Overath, wie ein vertrautes Ferienparadies zur neuen Wohnadresse wird. Es ist
möglich, sein Leben zu ändern. Und vielleicht zeigt sich im andern Land eine
Schnittmenge Heimat.
Taschenbuchausgabe