Der Apfelbaum vor seinem Elternhaus war der erste Lehrmeister für den
siebenjährigen Erhard Loretan. An ihm lernte er alles über das Klettern, die
Griffe, das Risiko und die Tiefe. Er war schneller, besser und zäher als die
anderen, schon hier zeigte sich seine geniale Begabung. Bereits mit 11 Jahren
bestieg er den 1848 Meter hohen Dent de Broc. Mit 18 Jahren konnte er schon
eine beeindruckende Anzahl von extremen Routen in seinem Tourenbuch vermerken,
wie z.B. die Matterhorn-Nordwand.
1981 erhielt er das Schweizer Bergführer-Diplom.Berühmt wurde er durch seine
unglaubliche Kondition und Zähigkeit. Seine Taktik war, möglichst schnell, mit
so gut wie keinem Gepäck unterwegs zu sein. Legendär sein Auf- und Abstieg des
Mount Everest in weniger als 40 Stunden. 1995 bestieg er mit dem
Kangchendzönga seinen 14. Achttausender und war damit nach Reinhold Messner
und Jerzy Kukuczka der 3. Mensch überhaupt, dem dieses gelang.Berühmt ist auch
seine langjährige Lebensgefährtin Nicole Niquille. Mit ihr begab er sich auf
seine Everest-Expedition und versuchte 1985 den K2 zu besteigen.
Es traf ihn sehr, als er erfahren musste, dass die begnadete Bergsteigerin
1994 beim Pilzesammeln von einem Kiesel getroffen wurde und seitdem gelähmt
ist.2001 ereignete sich seine grösste Tragödie. Als am Weihnachtsabend sein 7
Monate alter Sohn nicht zu schreien aufhörte, schüttelte er ihn mehrere
Sekunden und löste damit ein Schütteltrauma aus, woran der Junge wenige
Stunden später starb. Erhard Loretan wurde verurteilt und sagte vor Gericht:
«Die Strafe, die Sie mir auferlegen, ist kein Vergleich zu dem, was ich bis
zum Ende meiner Tage mit mir trage.»
Er trug seine Schuld bis zum 28. April 2011, seinem 52. Geburtstag. Am
Grünhorn verlor er den Halt im Fels und wurde in den Tod gerissen, seine
Freundin überlebte schwer verletzt. Charlie Buffet beschreibt das Leben seines
Protagonisten auf respektvolle und feinfühlige Weise, genau so wie es dem
zurückhaltenden Erhard Loretan entsprochen hätte.