Die Erstbesteigung des Tödi jährt sich 2024 zum 200. Mal. Wir nehmen dieses Jubiläum zum Anlass, den Berg und mit ihm die Menschen zu feiern, die ihn bestiegen haben und besteigen, erinnern, betrachten. Und zwar wohlwissend, dass der Tödi vor 200 Jahren nicht der Tödi von heute ist. Von wem, von wo aus, auf welcher Grundlage und mit welchem Ende wird er in unseren Tagen gesehen?
Der Alpinismus und die Vorstellung von den Alpen haben sich über die Jahrhunderte verändert. Einst galt die Bergwelt als Trutzburg und Rückzugsort vor der Welt – so noch im «Réduitgedanken» im Zweiten Weltkrieg -; später war es en vogue, Berggänger oder Tourenskiläufer zu sein. Die Bergliteratur spiegelt solche Entwicklungen wider: Fand in den Bergtexten des frühen 20. Jahrhunderts ein Wechsel von der kollektiven Besinnung auf die Berge hin zu einer subjektiven, persönlichen Betrachtungsweise der Alpen statt, herrschen heute zusätzlich Themen wie Geschlecht, Diversität, Umwelt, Raum und Materialität vor.
Die Anthologie «Mein Tödi» trägt dieser Entwicklung in schönster Weise Rechnung: Sie spannt einen Bogen von den klassischen Tödi-Texten eines Max Frisch oder Meinrad Inglin über bereits veröffentliche Schriften von Leo Tuor, Tim Krohn, Franz Hohler u. a. m. bis hin zu aktuellen literarischen Originalbeiträgen, u. a. von Seraina Kobler, Peter Weber, Renata Burckhard und Emil Zopfi. Ein abschliessender Teil grundiert den literarischen Kontext aus erklärender Sicht.
Er habe, so Monioudis, bei der Arbeit am Buch den Tödi für sich neu entdeckt und wolle nicht einfach 1000-fach gelesene Texte präsentieren. Vielmehr habe er sich gefragt: «Was lässt sich heute über den Tödi schreiben, das für die Zukunft Bestand hat?» Tatsächlich wird die Sammlung mit Emil Zopfis erzählerisch bearbeitetem «Speckschwartentext» eingeführt, sowie mit Franz Hohlers Tödi-Text «In die Öde». Dazwischen aber – weitgehend unbekannt – schreibt die im Sernftal geborene Vreni Stauffacher eine Erzählung über das soziale Leben dort, im 19. Jahrhundert. Und darauf nähert sich – sozusagen von gegenüber – Leo Tuor in «Cavrein» dem Piz Russein, in einer Welt, die von Stein- und Ziegenböcken bevölkert ist. Insgesamt sind es dreissig literarische Texte, die sich dem Tödi nähern, wobei Karl Kraus mit «Thierfehd ist hier, das sagt dem Menschsein ab, dass er es werde» wohl die klassische Zeile schlechthin prägte, und Roland Heer sich in «bergfahrt. ein dramatisches Gedicht» auf den Glarner Klassiker schlechthin, nämlich Ludwig Hohl referiert, aus dessen «Bergfahrt» die Sammlung «Auf dem Grat» aufnimmt.
Als Herausgeber des Lesebuchs zeichnet der Glarner Autor Perikles Monioudis verantwortlich, ein ausgezeichneter Kenner der hiesigen Bergwelt ebenso wie der Schweizer Literatur.
1. Auflage 2024;
300 Seiten, Breite 145 mm, Höhe 224 mm, Dicke 37 mm