Sportkletterin. Höhlenforscherin. Wahlfranzösin.
Frau Caprez, warum tun Sie sich das an? So lautet die meistgestellte Frage von
Journalisten an Nina Caprez, eine der weltbesten Kletterinnen. Sie ist dort am
glücklichsten, wo andere nur schon beim Hinsehen Angst kriegen: an abweisenden
Felswänden, hunderte Meter über dem Boden. »Ich tu mir überhaupt nichts an.
Ein Antun ist es sicher nicht, eher ein Urtrieb, und der beginnt schon bei
kleinen Kindern, die überall hochsteigen.« So lautet die Antwort von Nina.
Sie ist in den Bergen aufgewachsen, dass sie aber heute furchtlos durch
Felswände steigt, war keineswegs vorprogrammiert. Der Vater stirbt jung, als
er auf einer Bergwanderung abstürzt. Da war Nina erst zwei Jahre alt. Trotz
des Verlusts des Vaters meidet sie später die Bergwelt nicht. Mit ihren
Geschwistern zieht sie los, bald wechseln sie vom Wandern zum Klettern. Immer
öfter lässt Nina den Alltag im Talboden zurück und stellt sich nur den
Aufgaben, die ihr die schroffen Felswände stellen.
Sie wird zum weiblichen Gesicht des Kletterns in der Schweiz und erlangt bald
weltweite Bekanntheit. Doch im Wettkampf sieht sie ihre Zukunft weniger, sie
erkennt, dass für sie Klettern ein Miteinander ist, kein Gegeneinander. Ihr
Lohn ist die unendliche Zufriedenheit, wenn sie aus einer Felswand aussteigt.
Aber auch ihre Verzweiflung spielt sich dort ab, wenn sie eine Stelle partout
nicht überwinden kann und immer wieder ins Seil fällt. Doch nur für kurze
Zeit. Dann muss sie über sich selbst lachen, wenn sie sich vorstellt, wie das
aussehen muss.
»Da häng ich 150 Meter über dem Boden und weine, weil ich nicht weiterkomme.
In solchen Momenten merke ich, wie glücklich ich mich schätzen darf, wenn
solche Probleme meine Sorgen sind.«